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Top Ten meiner All-Time Lieblingsfilme 1/2

Den Graphomaniker gibt es bereits seit 2023. Da dachte ich mir, warum sollte es in diesem Blogbeitrag nicht endlich einmal um meine Lieblingsfilme gehen. In zwei Teilen präsentiere ich euch die zehn besten Filme, die ich jemals gesehen habe. Heute fangen wir mit den Plätzen 10 bis 6 an. Vielleicht ist ja die eine oder andere Neuentdeckung für euch dabei.

Von Daniel Zemicael


Platz 10: "Smoke - Raucher unter sich" von Wayne Wang

 

Die Magie im scheinbar Banalen:

 

 

Wenn man sich die Inhaltsangabe von „Smoke“ durchliest, mag man vielleicht erstaunt sein, warum dieser Film zum Kultfilm erklärt wurde. Denn nüchtern betrachtet erzählt der Episodenfilm die Geschichte des Tabakladenbesitzers Auggie und seiner Kundschaft: Da wäre der verbitterte Schriftsteller Paul, dem es schwerfällt, ein Buch zu schreiben. Der Jugendliche Thomas ist auf der Suche nach seinem Vater. Schließlich erfahren wir, dass Auggie nicht nur Tabakwaren verkauft, sondern jeden Tag sein Viertel in Brooklyn abfotografiert. Soweit, so alltäglich, könnte man denken.

 

Das denkt auch Paul, als er bei Auggie daheim ist und dessen 4000 Fotos begutachtet. Sie wurden immer an derselben Stelle gemacht und präsentieren stets das gleiche Motiv. Doch wer sich dem öffnet und hingibt, erkennt die Nuancen und am Ende vielleicht sogar die Magie dahinter.

 

Genau das gelang Kultschriftsteller Paul Auster und Regisseur Wayne Wang, die zusammen mit diesem Film eines der schönsten Werke der Filmgeschichte schufen. Hinzu kommen der charmante 90er-Flair und eine Riege von Schauspielern, die so gut miteinander interagieren, dass man nicht genug von ihnen bekommen kann. Nicht unerwähnt darf Auggies Weihnachtsgeschichte bleiben, die dieses Werk nicht nur perfekt abrundet, sondern unvergesslich macht.

Platz 9: "Hair" von  Miloš Forman

 

Herausragende Musik. Herausragende Regie. Herausragendes Meisterwerk

 

 

Furios! Etwas anderes kann man zu diesem Musical nicht sagen. Miloš Forman – nebenbei bemerkt einer der größten Regisseure – besitzt in seiner Filmografie allerlei Meisterwerke, die sich mit Psychiatrie, Jazz oder klassischer Musik auseinandersetzen. In „Hair“, seinem ersten Musical, gelang es ihm, nicht nur eine herausragende Gesellschaftsstudie zu gestalten, sondern auch eine Melange aus politisch- und kriegskritischem Beitrag. Das ist nicht nur als Zeitdokument exzellent, sondern zeigt auch, wie die Gegenwart vielleicht wieder sein könnte.

 

„Hair“ veranschaulicht auf unglaublich unterhaltsame, aggressive, provokante und gewitzte Art und Weise, wie man gegen den Status quo rebellieren kann, ohne steif zu wirken. Außerdem ist der Film außerordentlich sinnlich, überbordend an Ideen und Kraft, besitzt grandios choreografierte Tanzeinlagen und unvergessliche Songs, die längst zu Evergreens geworden sind. Der Geist der 68er schimmert nicht nur ein bisschen durch den Film, sondern ergreift den Zuschauer mit voller Wucht, sodass er nach der Rezeption rausrennen und in den Song „LET THE SUNSHINE IN“ einstimmen möchte.

Platz 8: "Die Träumer" von Bernardo  Bertolucci

 

Eine intensive Feier der Liebe, der Jugend und vor allem des Kinos!

 

 

Bertoluccis letztes Meisterwerk „Die Träumer“ spielt zur gleichen Zeit wie „Hair“, wurde aber 35 Jahre später gedreht. 

 

Während auf den Pariser Straßen im Angesicht der Schließung der Cinémathèque française und vor allem des Vietnamkriegs Demonstrationen und Krawalle herrschen, beschließen drei Jugendliche – ein Amerikaner und zwei französische Geschwister – sich in ihre kleine Welt zurückzuziehen, um im verlassenen Elternhaus einen Mikrokosmos für sich allein zu schaffen.

 

 

Bernardo Bertolucci braucht sich nicht vor dem Vergleich mit dem großen Pier Paolo Pasolini zu verstecken. Doch während Pasolini schon 1975 alle Hoffnung im künstlerischen Sinne verloren hatte und mit „Die 120 Tage von Sodom“ ein visionäres und beeindruckendes Meisterwerk schuf, war doch unmissverständlich klar, dass hier ein Endpunkt gesetzt wurde: keine Feier der Sinne, kein Hoch auf das Leben, sondern Zerstörung und Destruktivität. Doch Bertolucci drehte im Alter von 62 Jahren, im Jahr 2003, einen Film, der das Gegenteil war: Hier lebt die Leidenschaft der Liebe, des Genusses und des intensiven Erlebens, von dem man nicht genug bekommen kann.

 

 

 

Platz 7: "Bamboozled" von Spike Lee

 

„Sleep and ‚Motherfucking‘ Eat?! O Shit! O Shit!“

 

 

 

Was sind Minstrel Shows? Der Begriff ist in Deutschland relativ unbekannt, da es vor allem eine amerikanische Tradition war. Eine Art psychische Folter, die jedoch für ein weißes Publikum wie eine herzerfrischende und vergnügliche Kabarettnummer aussah. Es begann im 19. Jahrhundert und zog sich bis ins Kino- und Fernsehzeitalter.

 

In den Minstrel-Shows färbten sich weiße Darsteller mit Schuhcreme schwarz und gaben auf den Bühnen den dummen, lustigen und fröhlichen Schwarzen, der es gernhat, versklavt zu werden.

Rassismus gibt es also schon sehr lange in der Film- und Unterhaltungsindustrie, und anscheinend will niemand davon etwas wissen bzw. aufarbeiten. Zumindest nicht im Erscheinungsjahr von „Bamboozled“ (2000), denn was Spike Lee mit diesem komplexen Werk schuf, empfanden viele Kritiker seinerzeit als „Aufreißen alter Wunden“ (Ashley Clark) und als unnötig. Filmkritikerlegende Roger Ebert, der Spike Lees Überwerke „Do the Right Thing“ und „Malcolm X“ überschwänglich lobte, meinte sogar, er wolle so etwas wie „Blackfaces“ in keiner Weise wieder auf der Leinwand sehen.

 

Dieser Political-Correctness-Standpunkt ist für Spike Lee allerdings immer schon so weit entfernt gewesen, wie es für den bekennenden Republikaner Clint Eastwood unmöglich erschien, lobende Worte für die amerikanischen Demokraten zu finden. Lee bohrte gerne in schmerzhaften Wunden, um etwas aufzuzeigen, das man sich im konventionellen amerikanischen Kino niemals trauen würde. Man kann dies waghalsig oder riskant nennen (wie es Georg Seßlen in seiner Kritik tat, der den Kult-Regisseur als einen Filmemacher mit vollem Risikobewusstsein bezeichnete). Ich bezeichne diese Herangehensweise als zwingende Lehre aus der Vergangenheit. Um aufzuarbeiten, bringt es nichts, zu verdrängen!

 

Damon Wayans spielt herrlich überkandidelt den Harvard-Absolventen und Fernsehautor Pierre Delacroix, der sich gerne gespreizt und förmlich artikuliert. Das Glück scheint ihm in dem Fernsehsender, bei dem er arbeitet, allerdings nicht vergönnt zu sein: Die weißen Mitarbeiter ignorieren ihn, und sein Chef Dunwitty (grandios gespielt von Michael Rapaport) plagt ihn mit rassistischen Sprüchen. Außerdem herrscht zurzeit im Sender Mangel an guten Comedy- oder Sitcom-Stoffen. Um den „Drecksladen“ zu verlassen, ruft Delacroix die alten demütigenden Minstrel-Shows zum Leben, um mit einem Knall zu verschwinden. Diesmal malen sich Schwarze selbst schwarz an, um das Publikum zum Lachen zu bringen. Und was passiert dann? Amerika ist wieder im „Blackface“-Fieber und doch nicht so postrassistisch, wie es gerne wäre. Alles spitzt sich bis zur Drastik zu, und Pierre Delacroix kann es nicht länger leugnen, dass er Frankenstein ist und sein Monster nicht mehr bändigen kann.

Platz 6: "Die Legende vom Ozeanpianisten" von Giuseppe Tornatore

 

Es gibt nichts zwischen Bug und Heck!

 

 

In einem gigantischen Ozeandampfer wird der Arbeiter Danny (wunderbar gespielt von Bill Nunn) bei der Suche nach Almosen – die reichen Gäste nach einer Feier vielleicht irgendwo auf dem Boden vergessen haben – nicht nach Geld, sondern zufällig nach einem Baby fündig. Er zieht den Jungen über die Jahre auf und kümmert sich um ihn. Nach einem Arbeitsunfall erliegt Danny seinen Verletzungen, aber Neunzehnhundert (wie er das Kind kurioserweise getauft hat) lebt weiter auf dem Ozeandampfer. Schon sehr früh lernt er, virtuos auf dem Piano zu spielen. Als Mann gereift, gewinnt er gegen Jazz-Legenden im Klavierwettstreit und wird anschließend als Held gefeiert.

 

Doch eins kann er beim besten Willen nicht: Den Dampfer verlassen. Das ändert sich weder bei Max, mit dem er eine außerordentlich tiefe Freundschaft teilt, noch bei einer Emigrantin, in die er sich unsterblich verliebt.

 

Dieses einfühlsame, melancholische, virtuose, romantische Märchen um einen einsamen Menschen, dem es schwerfällt, das Leben im buchstäblichen Sinne zu betreten, hätte den Erfolg von „Titanic“ (1997) haben müssen. Stattdessen ist es nur Insidern ein Begriff. Wie ungerecht so etwas sein kann, erleben wir in diesem großen, gefühlvollen Film, der ein Dasein fristet wie so viele versteckte Meisterwerke der Filmgeschichte! „Die Legende vom Ozeanpianisten“ ist wohl einer der Kinofilme schlechthin: Ein magischer Film, der so fernab unseres Alltags liegt und doch die Gefühle anspricht, die jeder von uns hat.

 

Fortsetzung folgt nächste Woche!

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