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Cinephilia Is Not Dead - Pilot-Drehbuch zu einer Serie

"Was wäre, wenn ein Mittdreißiger aus Nostalgie und Liebe zum Film eine Videothek in der heutigen Zeit eröffnen wollte?"

Mit dieser Frage begann 2018 mein Serienkonzept. Mein Ziel war es, mich aus Übungsgründen an das serielle Erzählen heranzuwagen, denn der Gedanke, eine eigene Fernsehserie zu schreiben, reizte mich sehr. Also schrieb ich die erste Folge, doch danach verschwand das Projekt in der digitalen Schublade. Weil ich es aber zu schade fand, es dort verstauben zu lassen, entschied ich mich, es hier auf "Der Graphomaniker" zu veröffentlichen.

Gerade für angehende Drehbuchautoren oder alle, die sich für das Schreiben von Serien interessieren, könnte die Lektüre meines Drehbuchs eventuell ein Mehrwert sein. Viel Spaß beim Lesen!

Von Daniel Zemicael


Eine Videothek in dieser Zeit? Der Protagonist Ibrahim glaubt daran.

Cinephilia is not dead

(K)eine Schnapsidee

Staffel 1

Folge 1

© 2018 Daniel Zemicael

Das Drehbuch

 

1 VOR EINEM GEBÄUDE - AUSSEN/TAG 1

Ein Haus, in dem sich ein Laden befindet. Um was für einen Laden es sich genau handelt, ist irrelevant. IBRAHIM ist als Erzähler zu hören.

IBRAHIM (Voice Over) Was stimmt bei diesem Bild nicht? Schaut es euch genau an. (PAUSE) Ich weiß, das hört sich jetzt schwer nach Bilderrätsel an, wie bei Arte oder so. Ist es aber nicht. Denn zu einem Rätsel gehört auch die Lösung. Jetzt fragt ihr euch, was will die Dumpfbacke von uns? Ich mache es kurz: Hier, genau in diesem Haus, stand mal eine Videothek.


Verschiedene Häuser sind zu sehen. In der Geschwindigkeit, in der sie von Ibrahim aufgezählt werden, sind sie kurz zu sehen.

 

 

IBRAHIM (V.O.) Hier war auch mal eine. Hier auch. Hier genauso. Und hier und hier ebenfalls. (PAUSE) Ich könnte heulen, dass es diese Läden nicht mehr gibt. Alles ist nur noch digital. Alles ist auf dem PC oder auf dem Smartphone verlagert worden.

 

 

 

2 VIDEOTHEK - AUSSEN/TAG - IBRAHIM UND JENS KINDHEIT 2

 

Ibrahim und JENS stehen als Zwölfjährige vor einer Videothek und starren begeistert auf die Plakate, die auf den Fenstern und Türen zu sehen sind.

 

IBRAHIM (V.O.) In den 90ern war das anders. Es wimmelte regelrecht vor Videotheken. Mein Kumpel Jens und ich wollten schon immer in so einen Laden rein, doch da wir kleine Pimpfe waren und man erst als Volljähriger rein durfte, blieb uns nichts anderes übrig, als uns reinzuschleusen. Das ging so weit, dass wir, um den richtigen Moment zu erwischen, stundenlang vor dem Laden standen.

 

Sie sehen zwei MÄNNER zur Videothek laufen. Jens tippt den immer noch von den Plakaten beeindruckten Ibrahim an die Schulter und zeigt auf die Männer. Sie folgen den Männern.

 

 

 

3 VIDEOTHEK - INNEN/TAG 3

 

Ibrahim und Jens gehen hinter den Männern in den Laden rein. Jens verschwindet sofort hinter einem Regal. Ibrahim schaut sich baff in der Videothek um. Kurz ist der VIDEOTHEKAR zu sehen, der an der Kasse steht, jedoch mit dem Rücken zum Eingang gewandt. Er ist gerade dabei, sich umzudrehen. Jens packt Ibrahim am Kragen und zieht ihn zu sich.

 

IBRAHIM (V.O.) Kamen aber Erwachsene in die Videothek gelaufen, gingen wir hinter ihnen her, um so reinzukommen und schon hinter irgendeinem Regal zu verschwinden.

 

 

 

4 VIDEOTHEK - INNEN/SPÄTER 4

 

Ibrahim alleine vor einem Regal.

 

IBRAHIM (V.O.) Das Risiko, erwischt zu werden, war hoch. Die Typen vom Laden waren auch nicht gerade freundlich, da wir es schon über Hundert Mal versucht hatten. Meine Mutter hätte mich umgebracht, wenn sie es erfahren würde. Aber das war es echt wert.

 

Jens alleine vor einem Regal. Und zwar in der Pornoabteilung. Er hält sich die Hand vors Gesicht, aber spreizt wie Spock nur den Ring- und Mittelfinger zusammen, damit ein Auge von ihm die Bilder sehen kann. Zurück zu Ibrahim. Mit großen Augen schaut er sich eine Reihe Indie-Filme an (z.B. "Living in Oblivion" und "Jungle Fever" und auch Klassiker wie von Visconti oder Fellini und auch Bresson sind zu sehen).

 

IBRAHIM (V.O.) Während Jens immer ein Faible für Sportfilme der anderen Art hatte, zog es mich zur Kunst. So musste das Paradies sein. Ein Ort voller Filme. Ich weiß nicht, wie ich mein Gefühl beschreiben kann, das ich damals hatte. Aber ich glaube, glücklich trifft es am besten.

 

Jens nimmt sich aus dem Regal eine Kassette, doch eine andere fällt herunter. Der Videothekar schaut verwirrt. Dann geht er in die Pornoabteilung. Ibrahim hat davon nichts mitbekommen und geht langsam weiter, während er mit den Augen versucht, alle Filme einzusaugen.

 

IBRAHIM (V.O.) Oh, möge doch die Uhr stehen bleiben, damit ich hier für immer und ewig verweilen kann, dachte ich mir.

 

Doch Jens rennt ihn beinahe um.

 

JENS Renn!

 

Sie rennen beide. Der Videothekar kommt angerannt.

 

VIDEOTHEKAR Hey!

 

Jens macht die Tür auf und verschwindet. Ibrahim stolpert und fällt zu Boden. Er dreht sich auf den Rücken.

 

VIDEOTHEKAR Du bleibst erst mal hier.

 

IBRAHIM Echt jetzt?

 

VIDEOTHEKAR Ja klar! Ich rufe die Polizei und die reden mit deinen Eltern.

 

IBRAHIM Ja gut, aber sagen Sie der Polizei, sie sollen sich Zeit lassen.

 

VIDEOTHEKAR Und wieso?

 

IBRAHIM Na, damit ich länger hier bleiben kann.

 

VIDEOTHEKAR (widerwilliges Lächeln) So ein Gauner.

 

Er hilft Ibrahim hoch.

 

IBRAHIM (V.O.) Ab da war für mich klar: Irgendwann werde ich auch eine Videothek besitzen! (PAUSE) Naja. Hätte nicht der Zahn der Zeit ein wenig an meinem Wunsch genagt.

 

 

5 PROGRAMMKINO - AUSSEN/TAG - IN DER GEGENWART 5

 

Ein Programmkino in der Stadt. Keiner steht vor der Tür.

 

 

6 PROGRAMMKINO - INNEN/TAG 6

 

Drinnen sieht es genauso leer aus. Vor der Theke (in der Popcorn und so weiter verkauft wird) steht Ibrahim (inzwischen 35) und ein KOLLEGE, der seine Arme verschränkt hält und gelangweilt ins Leere schaut. Ibrahim dagegen stützt sich mit beiden Fäusten auf die Theke und scheint etwas auf dem Herzen zu haben und nur auf einen Auslöser zu warten, um seinen Unmut kundzutun.

 

KOLLEGE Puh... nichts los...

 

IBRAHIM Und weißt du warum?

 

KOLLEGE Jetzt geht das wieder los.

 

IBRAHIM Weil das Kino aus einer Suppe besteht!

 

KOLLEGE Was denn jetzt für eine Suppe?

 

IBRAHIM (zählt es mit den Fingern auf) Die Suppe besteht aus Feelgood Movies, Event-Filmen und natürlich den neusten Comic-Verfilmungen.

 

KOLLEGE Wir arbeiten in einem Programmkino, Kollege. Hier laufen bestimmt nicht die Avengers.

 

IBRAHIM Umso schlimmer. Gerade im Programmkino, das die Oase des guten Geschmacks sein sollte, laufen doch genauso Mainstream-Kommerz-Konsens-Filme wie "Monsieur Claude" und „Ach, wir haben uns alle Lieb“ Schwachsinn. Kino, das nicht wehtut, nicht aufweckt. Fordernde Kunst gibt es nicht mehr hier.

 

KOLLEGE Mainstream-Kommerz-Konsens-Filme. Sag das mal zehnmal hintereinander.

 

IBRAHIM Kennst du die Filmanalyse auf Youtube?

 

KOLLEGE So einen Scheiß schaue ich bestimmt nicht! „Der Filmprofi“, das ist ein Channel auf Youtube, so was musst du angucken.

 

IBRAHIM In der Filmanalyse sagt er in einem Video sinngemäß, dass wenn ein Film von bedeutenden Regisseuren wie Godard oder Lanzmann in nur einem einzigen Kino in Deutschland läuft, das eine Art der Zensur ist. Aber eine, die des Totschweigens und der Ignoranz. Verstehst du? Damals kamen im öffentlich-rechtlichen noch Stummfilme, heute herrscht eine Krimi-Epidemie. Wir sind verloren! Das kulturelle Vermächtnis der darstellenden Kunst interessiert keinen mehr. Weil die, die am Hebel sitzen, es nicht mehr zeigen.

 

KOLLEGE Okay, du Apokalyptiker. Was schlägst du vor?

 

IBRAHIM Also gerade hier im Programmkino müssten doch irgendwelche Veränderungen stattfinden, wie Retrospektiven, und alte Filme müssten vor allem mal gezeigt werden. Ich hätte eine Idee zum Beispiel...

 

KOLLEGIN (Off) Ibrahim!

 

IBRAHIM Äh, ja?

 

Die junge KOLLEGIN schaut ihn genervt an.

 

KOLLEGIN Der Chef will dich sprechen.

 

IBRAHIM Echt? Okay. (zum Kollegen) Dann präsentiere ich dem Chef eben meine Idee. Die Revolution des Kinos naht.

 

Er geht aus der Theke. Die zwei anderen Kollegen schauen ihm hinterher.

 

KOLLEGIN So ein Spinner!

 

KOLLEGE Äh, jaaa!

 

 

 

7 RESTAURANT - AUSSEN/TAG 7

 

Das Restaurant von außen. Nobler Eindruck.

 

 

8 RESTAURANT - INNEN/TAG 8

 

Mit einer Handbrause wird ein verschmutzter Teller abgewaschen. Der Mann mit der Handbrause ist Jens (35). Er wirkt angeekelt von dem Geschirr.

 

JENS (Singt) Der Mann mit der Brause, hat niemals Pause, er verdiente seine Brötchen mit Flausen, konnte sich aber damit nichts kaufen, deswegen ist hier gelandet im Scheißhaufen!

 

Hinter ihm sind zwei KÖCHE, die irgendwas aushecken und vorsichtshalber immer wieder nach ihm schauen. Ein weiterer KOCH kommt hinzu.

 

KOCH 1 Wenn der Penner Jens nicht aufhört zu singen, stopfe ich ihm CDs von Helene Fischer in sein Maul.

 

KOCH 2 Brauchst du nicht. Wir beide haben eine bessere Idee.

 

KOCH 1 Und was?

 

KOCH 2 Wie du weißt, ist unser Jens ein penibler Typ, der jedes Mal beinahe kotzen muss, wenn er die Essensreste unserer Kunden auf dem Teller sieht.

 

KOCH 3 Ja, Mann. Der Typ verträgt gar nichts. Wäscht sich fünfmal die Hände und so.

 

KOCH 2 Ja, ein richtiger Saubermann, unser Jens. Und jetzt schau genau hin.

 

Er holt einen Teller, worauf ein buntes Sammelsurium an ekligen Essensresten liegt. Der erste Koch verzieht sein Gesicht.

 

KOCH 1 Dein Ernst? 

 

KOCH 2 (zuckt mit den Schultern) Haja, dann weiß er, wo der Hammer hängt, verstehst du?

 

KOCH 1 Nee... aber geile Idee.

 

Der CHEF reißt die Schiebetür mit Gewalt auf. Die Mitarbeiter tun so, als ob nichts wäre. Er wirkt aggressiv, geht durch die Küche und mustert die Arbeit seiner Leute. Bei einem hält er an und schaut ihm zu, wie er die Teller richtet.

 

CHEF Weißt du, was du da machst?

 

KOCH 4 Ja, die Teller...

 

CHEF Stopp! Schon mal falsch, bei dir könnte man meinen, dass es keine Teller sind, sondern Schüsseln und zwar Toilettenschüsseln. Guck dir das an!

 

Er zeigt auf einen Teller. Ein minimaler Fleck ist zu sehen, der vom Schöpflöffel herrührt, mit dem der Koch das Essen gerade erst drauf löffelte.

 

CHEF (gibt dem Koch den Teller) Hier, kannst du selber essen. (gibt dem Koch einen zweiten Teller) Das kannst du auch selber essen. (gibt dem Koch den dritten Teller) Und das wirst du auch selber essen müssen. Soweit alles klar?

 

KOCH 4 Ja.

 

Die anderen schauen dem Szenario gebannt zu.

 

CHEF Und die anderen arbeiten gefälligst weiter, sonst gibt's eine Massenentlassung. 

 

Wie auf Kommando arbeiten alle weiter. Auch Jens, der weiter an seinen Tellern spült. Dann nimmt er, ohne groß zu schauen, den Teller, den seine Kollegen präpariert haben. Er nimmt ihn in die Hand. Schließlich sieht er es.

 

JENS Ach, du Scheiße!

 

Er lässt den Teller fallen. Dann beugt er sich zu Boden und reiert, was das Zeug hält. Der Chef kommt angelaufen.

 

CHEF Koneffke! Du widerlicher Furz!

 

JENS (wischt sich den Mund ab) Sorry Chef. War nicht meine Schuld.

 

CHEF Wessen Schuld denn sonst? Du kommst jetzt sofort in mein Büro.

 

Jens hört darauf und folgt dem Chef. Doch dieser stoppt ihn.

 

CHEF Wohin des Weges, du Blödeimer?

 

JENS (immer noch angeschlagen) Äh, in Ihr Büro.

 

CHEF Ja, sag mal, wer wischt dann deine Kotze auf? Ich etwa? Soll ich dir danach auch deinen Arsch abwischen und dich in den Schlaf wiegen wie eine scheiß Mutter?

 

JENS Nein.

 

CHEF Wisch es auf und komm zu mir ins Büro!

 

Der Chef geht aus der Küche. Plötzlich lachen alle.

 

JENS Okay, wer von euch Idioten war das? (zeigt auf irgendjemanden) Du etwa?

 

Der TYP auf den Jens zeigt, hebt lachend seine Arme hoch und macht auf Unschuldig.

 

 

 

 

9 PROGRAMMKINO/BÜRO - INNEN/TAG 9

 

Der CHEF VOM PROGRAMMKINO ist von hinten zu sehen, wie er auf seinem Drehstuhl sitzt und mit den Fingern auf den Tisch trommelt. Dann kommt Ibrahim zur Tür herein. Er wirkt überglücklich und fängt gleich an zu reden.

 

IBRAHIM Hey Chef, ich habe richtig gute Ideen, um Ihr Kino zu reformieren und vor dem Untergang zu retten. (setzt sich) Wer weiß, vielleicht überträgt sich das ja auf die restliche Kinolandschaft hier im Land und wir Filmfans werden doch noch gerettet.

 

Nun ist der Chef zu sehen, wie er ein grimmiges Gesicht zieht. Im Weiteren redet sich Ibrahim in Rage. Er ist jedoch Feuer und Flamme.

 

IBRAHIM Zunächst muss ich sagen, dass wir die Filme, die Sie bisher gezeigt haben, komplett vergessen, okay? Aber das macht nichts, jeder macht mal Fehler. (zählt wieder die folgenden Themen mit dem Finger auf) Wir holen uns die Filmgeschichte zurück ins Kino. Richtig klasse Filme von damals. Dann holen wir uns ein Orchester, das die Musik spielt, falls es sich um Stummfilme handelt. Draußen wird ein Schild stehen mit der Aufschrift: „Klasse Kino Klassiker.“ Verstehen Sie? Das ist eine tolle Alliteration. (bemerkt sichtlich schockiert den Fehler) Moment mal, das ergibt ja KKK. Okay, wir müssen es anders nennen.

Der Chef knallt mit der Hand auf den Tisch. Ibrahim zuckt zusammen

 

 

10 RESTAURANT/BÜRO - INNEN/TAG 10

 

Jens' Chef knallt auch auf den Tisch. Jens sitzt bereits dem Chef gegenüber. Gestresst schaut er zu Boden.

 

CHEF Das geht nicht so weiter mit dir, Koneffke! Du bist zu nichts zu gebrauchen! Wenn du schon als Spüler überfordert bist, was willst du sonst tun?

 

JENS Quantenphysiker.

 

CHEF Was?

 

JENS (ironisch) Ich werde Quantenphysiker.

 

CHEF Ja, nimm das nur auf die leichte Schulter, du Dödel!

 

 

 

11 PROGRAMMKINO/BÜRO - INNEN/TAG 11

 

Ibrahims Chef zeigt mit dem Finger auf ihn.

 

CHEF VOM PROGRAMMKINO Ibrahim Aslan, Sie sind mit Abstand... die... größte... Nervensäge in der Geschichte meiner Berufskarriere. Und diese hat schon einige Jahre auf dem Buckel.

 

IBRAHIM Wie kommen Sie darauf, dass ich nerve? Ich helfe Ihnen gerade, Ihr Kino zu retten...

 

CHEF VOM PROGRAMMKINO Es sind Beschwerden eingegangen! Beschwerden von Mitarbeitern.

 

IBRAHIM Ach, die können Sie gleich vergessen! Was wichtig ist, sind die Zuschauer! 

 

CHEF VOM PROGRAMMKINO (knallt ein Paket Briefe auf den Tisch) Die Zuschauer? Gucken Sie mal da drauf und raten Sie, von wem die stammen? Kunden, die mir tatsächlich Briefe schicken und sich wegen eines gewissen Mitarbeiters beschweren.

 

IBRAHIM Immerhin Briefe und keine Google-Kunden-Rezensionen.

 

CHEF VOM PROGRAMMKINO Auf die wollte ich noch zu sprechen kommen. Die wimmeln nur von Negativurteilen.

 

IBRAHIM (atmet tief aus) Naja, natürlich gibt es Leute, die keine Ahnung haben, aber das wird sich ändern, wenn Sie mir kurz zuhören.

 

CHEF VOM PROGRAMMKINO Ich bin ganz Ohr.

 

IBRAHIM Sie müssen das Kino reformieren!

 

CHEF VOM PROGRAMMKINO Papperlapapp! Sie sind nicht Martin Luther mit seinen neun Thesen! Sondern ein Typ, der Popcorn verkauft!

 

 

 

 

12 RESTAURANT/BÜRO - INNEN/TAG 12

 

CHEF Ich habe nur eine Frage, du Neunmalklug! Und ich bitte dich, sie ernsthaft zu beantworten.

 

JENS Schießen Sie los, Chef.

 

CHEF Was willst du noch erreichen? Was erwartest du vom Leben? Was kann aus dir nur werden?

 

Jens überlegt. Ziemlich lang. 

 

CHEF Ja genau! Das habe ich mir gedacht!

 

13 PROGRAMMKINO/BÜRO - INNEN/TAG 13

 

CHEF VOM PROGRAMMKINO Also jetzt hören Sie mir mal zu. Sie haben eigentlich so viel Potenzial, Ibrahim, mit Ihrer Einzelhandelsausbildung. Aber ich muss ehrlich sagen... hier haben Sie keine Zukunft.

 

IBRAHIM Heißt das...

 

CHEF VOM PROGRAMMKINO Gekündigt!

 

 

14 RESTAURANT/BÜRO/KÜCHE - INNEN/TAG 14

 

CHEF Gekündigt!

 

JENS Ist das Ihr Ernst jetzt?

 

CHEF Du bist dumm, dämlich und zu nichts zu gebrauchen.

 

JENS Wie war das?

 

CHEF Geh mir aus den Augen.

 

Jens ist baff. Dann steht er wütend auf und geht aus dem Büro. Er geht mit hochrotem Kopf durch die Küche. Dann läuft er an den beiden Köchen vorbei, denen er den Ärger zu verdanken hat.

 

KOCH 2 (aufrichtig) Hey Jens, wir wollten uns noch entschuldigen...

 

Doch Jens antwortet nicht. Sie schauen ihm noch hinterher, wie er diesmal die Schiebetür mit Gewalt aufknallt.

 

 

15 IBRAHIM WG/FLUR/ZIMMER - INNEN/TAG 15

 

Ibrahim kommt zur Haustür seiner Wohnung rein. Er zieht sich die Schuhe aus und geht in sein Zimmer. Im Zimmer setzt er sich auf die Bettkante. Er legt seine Hände auf sein Gesicht und seufzt. Plötzlich klingelt sein Handy mit der Melodie von Indiana Jones. Ibrahim nimmt das Handy aus der Hosentasche. Auf dem Display steht „Mama“. Er nimmt ab.

 

IBRAHIM Hallo Mama.

 

 

 

 

16 WOHNUNG VON IBRAHIM MUTTER - INNEN/TAG 16

Ibrahims MUTTER (59) sitzt im Wohnzimmer, schaut eine Telenovela und hält den Telefonhörer am Ohr.

 

IBRAHIM MUTTER (Kurdisch) Wie geht es dir, mein Sohn?

 

IBRAHIM (Off) Gut.

 

IBRAHIM MUTTER (Kurdisch) (Off) Du musst wohl wie verrückt arbeiten, weil du dich gar nicht mehr bei mir meldest.

 

 

 

17 IBRAHIM WG/ZIMMER - INNEN/TAG 17

 

Ibrahim schweigt.

 

IBRAHIM MUTTER (Off) Stört's dich gerade?

 

IBRAHIM Nein, aber lass uns ein anderes Mal telefonieren.

 

IBRAHIM MUTTER (Off) Moment.

 

IBRAHIM Ja? 

 

IBRAHIM MUTTER (Kurdisch) (Off) Welche Mutter bekommt noch Briefe, die für ihren 35-jährigen Sohn adressiert sind.

 

IBRAHIM Mama, das ist nur eine einzige Zeitschrift, die zu dir kommt.

 

Er schaut auf den Boden, worauf überall Zeitschriften liegen. Es handelt sich um den „Filmdienst“.

 

IBRAHIM Aber ich komme ja bald zu dir, dann nehme ich eine mit.

 

IBRAHIM MUTTER (Kurdisch) (Off) Brauchst du nicht. Die kommt sowieso nicht mehr.

 

IBRAHIM Wie? Hast du es zu mir schicken lassen?

 

IBRAHIM MUTTER (Off) Nein, die Zeitschrift gibt es nicht mehr.

 

Ibrahim schaut schockiert aus. Plötzlich stürmt sein Mitbewohner KOBO lachend die Tür rein. Er hält in seiner Hand ein Tablet.

 

KOBO Hey Keule! Das musst du sehen!

 

IBRAHIM (ignoriert Kobo) Aber die Zeitschrift gibt es schon seit Jahrzehnten.

 

KOBO Keule, verdammt! Schau dir das an, sonst boxe ich dich!

 

IBRAHIM Ich rufe dich später wieder an, Mama. Ciao. (legt auf und widmet sich Kobo) Was ist?!

 

KOBO Das musst du dir ansehen! Hier!

 

Kobo setzt sich neben Ibrahim und hält das Tablet zwischen ihnen.

 

 

18 DER FILMPROFI - YOUTUBE VIDEO 18

 

DER FILMPROFI (23) steht vor einem Rednerpult. Im Hintergrund hängen Filmposter von „Bad Boys“ bis hin zu „Transformers“. Unter dem Video steht: "Ansage!"

 

DER FILMPROFI So Leute, ich heiße nicht umsonst der Filmprofi und weil einige Vollpfosten in den Kommentaren mich haten und meinen, ICH, DER ERFOLGREICHE FILMPROFI MIT EINER HALBEN MILLION ABONNENTEN, HABE KEINE AHNUNG VOM FILM, WEIL ICH JA KEINE "SOGENANNTEN KLASSIKER" ODER GAR "MEISTERWERKE" ANSCHAUE! (beruhigt sich wieder) Dann sage ich euch mal, was ihr Hundelümmel: Ich habe mich wegen euch Sharmutas hingesetzt und ein sogenanntes Meisterwerk mal angeschaut....ach ja, wie heißt der noch gleich? „Citizen Kane“ oder so. Alter Finne...zunächst einmal erbärmliche Bildqualität und das Schlimmste ist, er ist in Schwarz-Weiß! Ich mache es kurz...sterbenslangweilig! Da gucke ich lieber „Bibi und Tina“ an oder irgendeinen anderen Dreck...vom Großmeister des Kinos Michael Bay trilliardenweit entfernt.

 

Das Bild wird kleiner und weiter links sind andere Videovorschläge von ihm zu sehen, wie man es von YouTube kennt.

 

DER FILMPROFI Das war es schon, Leute. Liket das Video, abonniert meinen Channel und schlagt weitere Filme von damals vor. Ein Gutes haben die ja schon: sie sind prima Einschlafhilfen.

 

 

 

19 IBRAHIM WG/ZIMMER - INNEN/TAG 19

 

Kobo lacht sich schlapp. Ibrahim schaut ihn ernst an. Kobo merkt das und pegelt sein Lachen langsam runter, bis er gar nicht mehr grinst. Nach einer kleinen Pause:

 

KOBO Lustig, oder?

 

IBRAHIM Sag mir, dass es nur Satire ist. Er meint es nicht ernst, oder?

 

KOBO Der Filmprofi meint alles, was er sagt, bierernst.

 

IBRAHIM Hast du in deinem Zimmer vielleicht eine Knarre, damit ich mich von dieser grausamen Welt verabschieden kann?

 

KOBO Spinnst du? Ich laufe doch nicht mit einer Wumme rum! Aber ich kann mit einem Klappmesser dienen, wenn du das möchtest?

 

IBRAHIM Nee, danke. Ist mir zu blutig.

 

Er wirft sich nach hinten aufs Bett.

 

 

 

20 JENS ALTE FAMILIENWOHNUNG - INNEN/ABEND 20

 

In der Wohnung, in der Jens aufgewachsen ist, ist ein Klingeln an der Tür zu hören. Keiner geht zur Tür. Es wird nochmal geklingelt. Dann nochmal. Und nochmal. Bis es eine Klingel-Kaskade gibt. Dann kommt Jens' VATER HERIBERT (63) an die Tür herbeigerannt.

 

HERIBERT KONEFFKE Komme schon.

 

Er macht die Tür auf. Jens steht angelehnt am Türrahmen und schaut genervt.

 

HERIBERT KONEFFKE Oh, Jens! Kaum rufen wir dich an, stehst du schon vor der Rampe. (lacht) Wie geht’s dir, mein Sohn?

 

Jens kommt rein.

JENS Ich habe wenig Zeit. Wo ist Mum?

 

HERIBERT KONEFFKE Die kommt gleich. Willst du deinen alten Herren nicht erst mal begrüßen?

 

Heribert Koneffke versucht, Jens zu umarmen, doch dieser rührt sich nicht, sondern streckt ihm nur die Hand aus.

HERIBERT KONEFFKE (erwidert es und gibt Jens die Hand) Förmlich. Das ist gut. Das zeugt von Männlichkeit und Stärke.

 

Beim letzten Wort seines Vaters drückt Jens extra stark zu, bis sein alter Herr kurz aufschreit und sich schrill anhört.

 

HERIBERT KONEFFKE Wie geht es eigentlich diesem Italiener?

 

JENS Du meinst Furio?

 

HERIBERT KONEFFKE Ja, genau. Ich glaube, ich habe ihn in der Schule gesehen. Seine Tochter wird eine Klasse unter mir unterrichtet.

 

JENS Bei Furio sollte ich mich mal wieder melden.

 

HERIBERT KONEFFKE Gehört er nicht zum... Organisierten Verbrechen?

 

JENS Sagt der Richtige. Als Lehrer ist man doch geschult, Kinder ins Verderben zu stürzen. Das ist das wahre Organisierte Verbrechen.

 

HERIBERT KONEFFKE (PAUSE) Setz dich doch ins Wohnzimmer und mach es dir gemütlich.

 

Jens folgt seinem Vater ins Wohnzimmer. Dort liegt der CHIHUAHUA ACHMED auf der Couch. Doch Jens sieht ihn nicht und ist gerade dabei, sich auf ihn zu setzen. Heribert Koneffke reißt vor Schock seine Augen auf. Nur knapp verfehlt Jens den Hund, da dieser auf die andere Seite der Couch gegangen ist.

 

HERIBERT KONEFFKE Oh, Gott, Jens, du hast dich beinahe auf Achmed gesetzt.

 

JENS Gut! Dann wäre diese Tölle endlich hinüber. Ich kann sowieso nicht verstehen, warum der Hund Achmed heißt. Ist ein bisschen rassistisch, oder?

 

HERIBERT KONEFFKE Naja, deine Mutter hat ihn eigentlich so genannt...

 

JENS MUTTER (Off) Immer die Schuld auf andere abwälzen, du Waschlappen!

 

JENS' MUTTER (60) kommt auf dem Rollstuhl sitzend ins Wohnzimmer gerollt. Sie rollt zu Jens, der ihr einen Kuss auf die Wange gibt, während sie weiterredet.

 

JENS MUTTER Es war deine Idee, den armen Hund so zu nennen. Stimmt’s oder habe ich recht?

 

HERIBERT KONEFFKE Beides, Schatz. Beides.

 

JENS MUTTER Aber immer noch besser als dein Name. Wer Heribert heißt, ist doch gestraft fürs Leben.

 

Sie rollt zu ihrem Mann und versucht, ihren Rollstuhl Richtung Jens zu drehen. Heribert Koneffke versucht, ihr zu helfen, doch sie schlägt seine Hand weg.

 

JENS MUTTER Ich mache das schon!

 

JENS Also, wie es scheint, geht es euch gut. Aber ihr habt mich wegen eines Notfalls zu euch gerufen. Also, was ist los?

 

JENS MUTTER Jens, ich habe eine traurige Nachricht für dich.

 

JENS (schaut glücklich den Hund an) Achmed hat Bauchspeicheldrüsenkrebs?

 

JENS MUTTER Nein. Helga ist vor ein paar Tagen verstorben.

 

JENS (PAUSE) Wer... ist... verdammt noch mal Helga?

 

HERIBERT KONEFFKE Deine Großmutter. Sie wurde 97 Jahre alt. Weißt du noch? Ihr hattet so einen guten Draht zueinander.

 

JENS MUTTER Das liegt aber nur daran, weil es meine Mutter war. Die wurde wenigstens alt. Deine Sippschaft sind alle wie die Fliegen umgekippt. Keiner mehr übrig.

 

Sie wenden sich wieder Jens zu, doch dieser ist müde und hat seine Augen fast geschlossen.

 

JENS MUTTER Jens!

 

JENS Äh, ja? Ich höre zu.

 

JENS MUTTER Heribert, auf, bring den Wisch!

 

HERIBERT Ich komme sofort.

 

JENS MUTTER Will ich auch hoffen!

 

Heribert Koneffke eilt aus dem Raum.

 

JENS Also, ich weiß wirklich nicht, was ich dazu sagen soll. Ich kann mich gar nicht mehr richtig an diese Helga erinnern. Das einzige, was ich noch weiß, ist, dass sie mehr Falten hatte als Clint Eastwood und Mutter Teressa zusammen.

 

Heribert Koneffke kommt wieder rein, in seiner Hand ein Blatt Papier.

 

JENS Ich gehe dann mal wieder und richte Helga einen Gruß aus.

 

JENS MUTTER Sie ist doch tot.

 

JENS (macht Anstalten aufzustehen) Ach so, stimmt ja. Dann verschiebe ich es halt mit dem Grüßeausrichten.

 

JENS MUTTER Du bleibst!

 

JENS Äh, was?

 

JENS MUTTER Es gibt etwas, was dich interessieren wird.

 

JENS Und was? Habe ich etwa die alten selbstgenähten Socken von Oma Helga geerbt?

 

JENS MUTTER Nein. Sondern 50.000 Euro.

 

JENS Was?

 

HERIBERT KONEFFKE Ja, das steht hier im Testament. Sie schreibt, ich zitiere...

 

Jens' Mutter reißt ihrem Mann das Blatt aus der Hand und reicht es Jens rüber. Der beugt sich vor und nimmt es an sich. Er liest es und guckt ab und zu beide an.

 

JENS Okay, das ist jetzt kein super-ausgeklügelter Witz von euch beiden, oder?

 

JENS MUTTER Nein, Schatz. Das hat dir Oma Helga vererbt.

 

JENS (frohlockend) Oh, Mann! Gott schütze Oma Helga. Ich bin... echt sprachlos. Verdammt! Juhu!

 

HERIBERT KONEFFKE Langsam, Jens. Mach langsam.

 

JENS (steht auf und schreit weiter vor Glück) Ich bin ein gemachter Mann! Alter Schwede!

 

Er packt Achmed an den Pfoten. Dann dreht er sich mit dem Hund im Kreis. Seine Eltern schauen nur und sehen entgeistert aus.

 

JENS Ahhhhhhhhhh! Ja, Mann!

 

Doch dann entgleitet ihm der Hund. Achmed fliegt quer durch das Wohnzimmer. Die Eltern schauen nach Achmed, während Jens immer noch „Juhu“ schreiend zu hören ist.

 

HERIBERT KONEFFKE (zu seiner Frau) Geht es ihm gut?

 

Achmed ist zu sehen, wie er an die Wand pinkelt.

 

JENS MUTTER (beruhigt) Scheint so.

 

21 BAR - AUSSEN/INNEN/ABEND 21

 

Ibrahim steht vor der Tür einer Bar und ist gerade dabei, seine Kippe aufzurauchen. Dann schnippt er sie weg und macht die Tür auf. Von hinten ist Ibrahim zu sehen, wie er an den Leuten vorbeigeht. Er grüßt einige LEUTE und sie grüßen zurück mit dem bei uns schon eingebürgerten Faustgruß. Da entdeckt er Jens mit einem anderen FREUND beim Schnaps-Wetttrinken.

 

IBRAHIM (zu Jens) Mit leerem Magen, schon am Saufen?

 

JENS Dafür mit vollen Taschen.

 

 

 

22 BAR - INNEN/SPÄTER 22

 

Die circa fünf FREUNDE sitzen an einem länglichen Tisch und haben gerade gegessen. Ibrahim und Jens sitzen jeweils am anderen Ende des Tisches. Ein Freund (nämlich der, der mit Jens am Wett-Saufen war) sitzt neben einer FREUNDIN (wahrscheinlich sind die beiden ein Paar). Der Freund wendet sich an Ibrahim.

 

FREUND Hey, Ibrahim! Was hast du eigentlich arbeitstechnisch vor, nach deiner Kündigung? Hast du dir was überlegt?

 

IBRAHIM Oh ja. Das habe ich.

 

FREUND Und was?

 

IBRAHIM Ich mache mich selbstständig.

 

FREUND Ach ja? Und inwiefern?

 

IBRAHIM Ich mache eine Videothek auf.

 

Eine kurze Stille macht sich am Tisch breit, dann lachen alle drauf los. Sogar am Nebentisch gibt es ein paar Leute, die grinsen. Die Freundin wendet sich an Jens. Dieser lacht ebenfalls.

 

FREUNDIN Und du, Jens?

 

Alle Köpfe drehen sich zu Jens.

 

JENS Ach, ich gehe zur Beerdigung meiner Oma.

 

Plötzlich wird es ruhiger und das Lachen der Freunde friert ein. Außer bei Jens, dem die Freude deutlich anzusehen ist.

 

JENS Dafür gibt es Riesenschotter von der Alten. Ein dickes Erbe erwartet mich. 50.000 Euro! Hätte ich das früher gewusst, hätte ich eher nachgeholfen.

 

Er lacht. Doch die anderen schauen ihn entgeistert an. Peinlich davon berührt nimmt er einen Schluck Schnaps und verzieht sein Gesicht, da das Gesöff zu stark ist.

 

 

 

23 BAR - AUSSEN/ABEND 23

 

Jens steht alleine vor der Tür der Bar und raucht. Ibrahim kommt raus und stellt sich ihm gegenüber.

 

IBRAHIM Jetzt erst recht!

 

JENS Was?

 

IBRAHIM Die Sache mit der Videothek. Jetzt erst recht!

 

JENS Und ich dachte, du hast vorhin einen Witz gemacht, der offensichtlich gut angekommen ist.

 

IBRAHIM Ich weiß, das klingt verrückt, aber hast du dir nie gewünscht, etwas Unvergessenes zu schaffen, worüber die Leute noch lange reden werden? (PAUSE) Außerdem ist mir aufgefallen, dass seit der Einstellung des „Filmdiensts“ Idioten das Zepter übernommen haben, wie dieser Filmprofi. 

 

JENS Ach ja, der Filmprofi... cooler Typ.

 

IBRAHIM (ungläubig) Nicht wirklich.

 

JENS Na, dann erzähl mal, wie stellst du dir deine Idee genauer vor?

 

Es wird eine Skizze eingeblendet, worin die Videothek grob mit Bleistift gezeichnet wird.

 

IBRAHIM (off) Die Videothek ist unterteilt in Bereiche, okay?! Da wäre die Couchecke, wo die Leute diskutieren können. Eine kleine Cafeteria wird es geben, dann ein Regal mit Filmbüchern, worin man jederzeit blättern kann und sich technisch oder auch historisch in der Welt des Films weiterbilden könnte. Cool wäre auch ein Bringservice für ältere Menschen. Und schließlich die Filme, die nicht aus Neuheiten bestehen werden, weil die Filmgeschichte heutzutage so unterrepräsentiert ist. Dann wollen die Kids vielleicht nicht zwingend den neuen „Michael Bay“-Schrott sehen, sondern vielleicht ein Meisterwerk aus den 40ern zum Beispiel. Das soll auch keine Videothek im klassischen Sinne sein, sondern eine Kultureinrichtung. Und der Name dieser Einrichtung heißt dann: „Cinephilia is not dead“!

 

Jens nimmt einen Zug von der Kippe und schweigt danach.

 

IBRAHIM Und was sagst du dazu?

 

JENS Soll ich ehrlich sein?

 

IBRAHIM Ja klar.

 

JENS Deine Idee hat doch einen Sprung in der Schüssel! Zunächst einmal, für die heutige Jugend sind alte Filme nicht 1920 oder 1940. Nein, Mann. Für die sind alt ja schon 2001 oder 2003. Die kotzen ja schon bei „Reservoir Dogs“, obwohl der von Tarantino ist, aber da er 1992 gedreht wurde, ist er in den Augen der Teenager eine sogenannte Missgeburt.

 

IBRAHIM Ach was, das glaube ich nicht...

 

JENS (unterbricht ihn harsch) Deine Idee von dieser Videothek wird nicht funktionieren. Da wegen alter Filme keiner seinen Arsch aus der Haustür bewegen wird. Und neue Filme gibt es im Internet. Um es nochmal zusammenzufassen: 92 ist Steinzeit und alles, was davor gedreht wurde, gibt es in den Augen dieser Pickelgesichter nicht mehr. Frag mal einen dieser Hip-Hop-Deutschrap-Fans. Die werden es dir sagen, was sie von 1940 halten und zwar genau in diesem Wortlaut.

 

24 GROSSAUFNAHME MÄDCHEN - AUSSEN/TAG 24

 

Vor einer Häuserwand steht ein MÄDCHEN mit "OG"-Halskette und umgedrehtem Cappy und schaut direkt in die Kamera.

 

MÄDCHEN 1940 ist doch da Planet gebaut worden, oda? (guckt triumphierend) Ah nee, ich weiß es! 1940 kam der Urknall! (PAUSE) (guckt fragend) Oda?

 

 

25 BAR - AUSSEN/ABEND 25

 

Jens schnippt seine Kippe weg.

 

JENS Und überhaupt, wie willst du so einen Laden auf die Beine stellen, mit welchen finanziellen Mitteln?

 

IBRAHIM Naja, ich dachte...

 

JENS Halt! Du dachtest doch nicht mit meinem Erbe?

 

IBRAHIM Weißt du noch, als wir klein waren und uns jedes Mal in die Videothek heimlich reinschleusten? Wir wollten doch auch mal so einen Laden.

 

JENS Du wolltest so einen Laden!

 

IBRAHIM Ja, aber das wäre es doch! Wir beide, ein Laden! Wie ich schon sagte: etwas Unvergessenes schaffen...

 

JENS Ja, was Unvergessenes... und zwar sind wir dann unvergessene Clowns für die Leute dieser Stadt. Außerdem habe ich andere Pläne mit dem Geld.

 

IBRAHIM Und was?

 

JENS Was weiß ich... ein ausgedehnter Urlaub oder so. Na gut, ich habe mir jetzt keine konkreten Gedanken gemacht, aber das kommt noch... hoffe ich.

 

IBRAHIM Überleg es dir halt nochmal.

 

JENS Vergiss es, Ibrahim. Ich wette, morgen denkst du anders drüber. (PAUSE) Ich verschwinde! Hau rein!

 

Er geht und lässt Ibrahim alleine vor der Tür stehen.

 

 

 

26 RESTAURANT - INNEN/TAG 26

 

Jens' ehemaliger Chef ist gerade dabei, einen Mitarbeiter fertigzumachen. Hinter ihm sind die anderen Köche, die wie gebannt zusehen.

 

CHEF Ich sage dir mal, was du Hornochse: Du kommst jetzt in mein Büro, aber davor machst du die ganzen Scherben weg. Mann, o Mann! Vor dir war ein anderer Spüler da und der war ja schon dumm, aber das übertrifft alles.

 

Während er redet, ist Jens hinter ihm zu sehen, wie er in die Küche kommt. Alle anderen schauen ihn und sich überrascht an. Jens nähert sich dem Chef, bis er ganz nah hinter ihm steht. Dann tippt er ihm auf die Schulter.

 

CHEF Koneffke? Was machst du hier? Weißt du etwa nicht, was Kündigung bedeutet? Bist du wirklich so dämlich?

 

JENS Ich wollte nur wissen, ob Ihren Kunden der kalte Katzenfisch nicht irgendwann aus dem Hals raushängt.

 

CHEF (überrascht) Wie?

 

JENS Fünfzigtausend Kröten, mein Alterchen. So viel habe ich jetzt auf dem Konto und du? Aus Frust, weil das Geld nie stimmt und dein Leben unglücklich verläuft, machst du deine Mitarbeiter fertig. Aber das läuft bei mir nicht mehr. Ich setze mich jetzt da drüben hin und du bringst persönlich das Essen zu mir. Sonst rufe ich mal das Gesundheitsamt an, denn ich bin ja Insider und weiß, was hier abgeht!  Die werden sich freuen, sage ich dir. Also jetzt, Marsch! Spaghetti Bolognese und zum Trinken eine Cola.

 

Er geht aus der Küche. Die anderen schauen ihm hinterher.

 

CHEF Sofort weiterarbeiten, verstanden?!

 

 

 

27 RESTAURANT - INNEN/SPÄTER 27

 

Jens sitzt an einem Tisch und befestigt die Serviette an seinem Kragen. Dann kommt ein Koch und setzt sich ihm gegenüber.

 

JENS Und kocht er?

 

KOCH 5 Ja, das kannst du laut sagen.

 

Beide lachen.

 

KOCH 5 Aber stimmt das mit dem vielen Geld?

 

JENS Ja, aber du kriegst keinen Cent davon.

 

KOCH 5 Darum geht es mir gar nicht.

 

JENS Um was dann?

 

KOCH 5 Okay, du hast jetzt Geld und hast es dem Wichser so richtig heimgezahlt. Aber was ist der nächste Schritt? Du musst wissen, Geld füllt einen nicht aus.

 

JENS Binsenweisheit!

 

KOCH 5 Ich weiß, aber trotzdem... du musst was machen, was dir am Herzen liegt, sonst wird auf deinem Grabstein stehen: „Das war Jens Koneffke, der mit der Riesen-Fresse, der zwar Geld hatte, aber nichts geleistet hat, was ihn glücklich machte.“

 

JENS Glücklich?! Wo sind wir? Fernseh-Abendprogramm, Herzkino? Als Nächstes gestehst du noch deine schwulen Gefühle zu mir?

 

Jens lacht. Der Koch jedoch nicht. Wortlos steht dieser auf und geht.

 

JENS War doch nur ein Witz.

 

Jens wirkt nachdenklich und grübelt.

 

 

 

28 IBRAHIM WG/KOBOS ZIMMER - INNEN/TAG 28

 

Ibrahim und Kobo sitzen auf dem Boden und zocken „Street Fighter“ auf der Playstation. Ibrahim wirkt abgelenkt und schaut manchmal woanders hin statt auf den Fernseher.

 

KOBO Ich schwöre, Mann, das ist der schlechteste Fight ever. Wir spielen seit einer Stunde und du hast nicht mal einmal gewonnen. Sogar Schlafen ist spannender!

 

IBRAHIM Ja, Sorry. Bin mit den Gedanken woanders.

 

KOBO Ja, Mann, merke ich seit einer Stunde!

 

 

 

29 JENS WG - INNEN/TAG 29

 

Jens sitzt an seinem Schreibtisch und hält sein Handy in der Hand. Wir sehen Ibrahims Namen auf dem Display. Jens drückt auf Anruf.

 

 

 

30 IBRAHIM WG/JENS WG - SPLITSCREEN 30

 

Das Bild ist in zwei Hälften aufgeteilt: eine, in der Jens zu sehen ist, eine mit Ibrahim und Kobo. Ibrahims Handy klingelt.

 

IBRAHIM Drück mal auf Pause.

 

Genervt drückt Kobo auf Pause.

 

IBRAHIM Hey Jens, was gibt’s?

 

KOBO Jens? Doch nicht Jens Koneffke?

 

IBRAHIM Doch, wieso?

 

KOBO Schönen Scheißgruß! Wenn ich dich erwische, Koneffke, mache ich dich platt!

 

JENS (grinst) Ist er immer noch angepisst. Ist doch Jahre her.

 

IBRAHIM Ich habe keine Ahnung, was ihr beiden meint.

 

JENS Egal, vergiss es. Ich bin dabei.

 

IBRAHIM Ich verstehe nur Bahnhof.

 

JENS Ja, die Sache mit der Videothek, verstehst?

 

IBRAHIM (springt auf) Echt jetzt! Mann, das ist echt genial! Ich kann es nicht fassen! Wie kam der Sinneswandel?

 

JENS Ach, weißt du, bevor ich wie Dagobert Duck in Geld schwimme und mich irgendwann langweile, dachte ich mir, mache ich doch was Sinnvolles.

 

Das Split-Screen verschwindet. Wir nähern uns Ibrahim mit einer Fahrt bis zu seinem Gesicht, wie er in den Hörer Folgendes sagt:

 

IBRAHIM Okay! Das Abenteuer kann beginnen!

 

 

ABSPANN. ENDE DER ERSTEN FOLGE.

 

 

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